Donnerstag, 5. August 2010

München - Wien - Zilina - Moskau

Nach großem Abschiedsbahnhof in München geht's per ÖBB Railjet nach Wien. Die Fahrt ist ereignislos, viele Touristen, ich grüble die Ganze Zeit ob denn auch alles Nötige im Rucksack ist - anscheinend schon. In Wien folgt ein Wiedersehen mit seit Ewigkeiten bekannten Leuten aus dem Internet.

Am nächsten Tag geht's mit der "Bim" zum Wiener Südbahnhof bzw. zu dem, was davon nach dem Beginn der Umbauarbeiten noch übrig ist. Im REX nach Bratislava macht mich der slowakische Schaffner kurz nach der Grenzstation Devinska Nova Ves darauf aufmerksam, dass ich ein Billet im Wert von 1,90 nachlösen müsste. Wundert mich, da die anschließende Fahrt von Bratislava nach Zilina mit dem von Bayer gesponserten "R609 Aspirin" im City-Star-Ticket inbegriffen ist. Die Westkarpaten sind landschaftlich nett anzuschauen. "Wladiwostok" auf dem Billet sorgt bei den Bahnbediensteten für Kopfkratzen. Wer tut sich denn so etwas an?
Der Kurswagen Zilina - Moskau ist zunächst nur mit einer Ukrainerin und mir gefüllt, ich habe ein Abteil für mich alleine. Zum Glück, der Platz ist doch recht spärlich. Der Schlaf muss allerdings noch warten, was zum einen am Streckenzustand (Holterdipolter), den dauernden Halten (ab Kosice hängt der Kurswagen an einem Bummelzug) und dem vom Schaffner angebotenen Schwarztee liegt ("Mit Limon! Mit Zucker!"). Nach einem rund halbstündigen Aufenthalt in der slowakischen Grenzstadt Cierna nad Tisou kriecht der Zug über die EU-Außengrenze zum ukrainischen Grenzbahnhof Tschop. Dem unkomplizierten slowakischen Grenzer ("Mehrwertsteuer? Tax-free?") folgt sein missmutiger ukrainischer Gegenpart, in bester Ostblocktradition mit viel zu großer Schirmmütze. "Was in Rucksack? Pistol?" "Njet Pistol." "Wieviel Geld dabei?" "Soundsoviel Euro" "charascho", und weg war er. Den Reisepass gibt's erst nach der jetzt folgenden Umspurprozedur zurück: Da die Gleise in der ehemaligen Sowjetunion mit einer anderen Spurweite verlegt wurden (russische Breitspur), wird nun jeder einzelne Waggon angehoben und die Fahrgestelle ausgetauscht. Den Jackpot habe ich gelandet, unter meinem Bett befindet sich die Verriegelung, welche zum Umspuren entfernt werden muss. Hammerschläge, aneinanderkrachende Fahrgestelle (Schaffner: "Von Ammendorf, aus DDR! Sehr gut Qualität! Jetzt neue machen in Twer, schlechte Qualität!"), herumschreiende Arbeiter. Nach 4 Stunden ist der Austausch komplett (gleichzeitig wurden auch die Anderen, nach Moskau verkehrenden Kurswagen aus Budapest, Venedig, Zagreb, Saloniki etc. umgespurt), es geht zurück in den Bahnhof von Tschop, wo der Mann mit dem umgedrehten Fressnapf auf dem Kopf den abgestempelten Pass aushändigt.

Nach unruhigem Schlummer dringt um 11 Uhr morgens ein weiterer Passagier in mein Abteil ein: Ein älterer Ukrainer, der nach Kiew unterwegs ist. Nix mit Englisch und Deutsch, rudimentäre Kommunikation mittels der vorgefertigten Sätze in meinem japanischen Sprachcomputer ("Ich habe keinen Durchfall"). Hat er auch nicht, aber Probleme mit dem Herzen und muss deshalb abnehmen und Nulldiät halten. Meine Wampe ist trotzdem größer.

Während der Zug mit 90 - 100 km/h durch die Ukraine gurkt geht der Tag vorbei, um 20 Uhr hat es in Kiew noch milde 37 Grad. Am Gleis gegenüber fährt ein weiterer Zug nach Moskau ein, der allerdings nur aus Drittklassabteilen besteht, sog. "plazkartny"-Großraumschlafwagen. Der Bahnsteig ist geschäftig wie der Stachus, Omas versuchen Fahrgästen Klamotten oder Schnappes anzudrehen, ich bleibe standhaft und beschränke mich auf Instantnudeln.
Der Schaffner meint er wäre ein großer Fan von Thomas Müller, und nutzt gefühlt jede Gelegenheit anderen Schaffnern und Pozilisten mitzuteilen, dass Ich nach Wladiwostok fahre. Erstaunen, wer tut sich denn so etwas an.

Die ukrainische Grenzkontrolle in Konotop verläuft ohne Probleme, Stempel in den Pass und fertig. Der Russische Grenzer in Brjansk will nur Visum und Migrationskarte sehen, Stempel rein, fertig.

Das Wetter in Moskau ist abartig heiß, von den Waldbränden in der Umgebung bekommt man allerdings nichts mit. Der Smog reicht ja auch schon vollkommen aus. Bin bisher ohne Schmiergeldzahlungen an Pozilisten ausgekommen. Das eine Semester Russisch von vor 3 Jahren zahlt sich aus, hier ist Alles nur in kyrillischer Schrift angeschrieben.

Wettervorhersage für morgen: 40 Grad und Sonnenschein. Im Rucksack: Schwarze T-Shirts. Ob es hier Interesse für Salzbatik gibt?

1 Kommentar:

  1. Ganz vorzüglich. Ich hoffe du trinkst dennoch das ein oder andere Schäpperles bevor du Wladiwostok erreichst.
    Werde gespannt deine Reise verfolgen. Grüße,
    der Pippo

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