Zug Nr. 6 Moskau - Ulaanbataar auf dem Bahnsteig nebenan. Fährt zu Beginn dem "Rossija" hinterher und überholt ihn dann, was einem Italiener und einer Koreanerin später noch den Urlaub rettete.
Der Zug ist von unten bis oben vollgestopft mit Klamotten aller Art, sowie den zur Präsentation nötigen Schaufensterpuppen. Fährt der Zug in einen Bahnhof ein stehen die Händler schon an den Türen und wedeln mit der Ware. Und tatsächlich, Leute warten am Gleis um groß einzukaufen.
Zwischenstop in Kirow. Die Babuschkas an den Bahnhöfen werden nicht mehr überall geduldet, man muss sich dann zu teilweise absurden Preisen an Kiosken eindecken.
Halt in Barabinsk. All diese gammlig gekleideten Leute kommen aus dem Zug, das sind keine Bettler. Auch Offiziere der Armee tauschen nach dem Einstieg die Uniform gegen Ballonseide aus.
Der Baikalsee. Früher fuhr der Zug bis zum Bahnhof Port Baikal und wurde dann per Fähre über den See transportiert. Nach dem Russisch-Japanischen Krieg anfang des 20. Jahrhunderts kam man drauf dass das nicht die optimalste Lösung ist und nahm den Bau der Zirkumbaikalbahn in Angriff. Landschaftlich sicher der schönste Abschnitt, kaum Birken und viel Berge.
Flusslandschaft zwischen Baikalsee und Ulan-Ude.
Halt in Jerofei-Pawlowitsch (benannt nach Jerofei Chabarow, dem Eroberer des russischen Ostens). Mit der Entfernung zu Moskau nimmt auch der Zustand der Bahnhöfe ab. Asphaltierte Straßen sind eine Seltenheit, die Bevölkerung führt ein ärmliches Leben.
Brüke über den Amur, einige Kilometer vor Chabarowsk. Zusätzlich existiert noch ein eingleisiger Tunnel, den man aus strategischen Gründen nach dem Bruch zwischen Sowjetunion und China gebaut hat.
Dem Zuiahmo sein Blog
Warum fliegen wenn man auch 8 Tage im Zug sitzen kann?
Samstag, 4. September 2010
Dienstag, 24. August 2010
9288 km im "Rossija"
Mit der Metro geht's von meiner Unterkunft zur Station "Komsomolskaja" am Platz der drei Bahnhöfe. Neben dem Kasaner und dem Leningrader Bahnhof ist dort auch der Jaroslawler Bahnhof angesiedelt, von welchem das Gros der Fernverkehrszüge Richtung Osten abfährt.
Die letzten Stunden vor der Abfahrt vertreibe ich mir in einem Cafe am Jaroslawler Bahnhof bei Schwarztee und Borschtsch. Um kurz vor 21 Uhr wird der Zug am Bahnsteig bereitgestellt, die Schaffnerinnen (2 pro Waggon) schauen sich die Fahrkarten ganz genau an. Das City-Star-Ticket interessiert sie gar nicht, nur die Schlafwagenreservierung ist wichtig und wird gleich einkassiert (bei russischen Fahrkarten wird der Durchschlag aufbewahrt, um zu wissen wann ein Passagier aus dem Zug rausgeschmissen werden muss). Russische Fahrkarten sind eigentlich zweigeteilt, in den Betrag für die Strecke selbst sowie in die Schlafwagenreservierung.
Erste Überraschung: Die Waggons sind kaum zwei Jahre alt, die Moskauer Eisenbahnverwaltung hat die noch aus DDR-Produktion stammenden Waggons der Firma Ammendorf durch Neue aus dem Werk bei Twer ersetzt. In Russland gibt es je nach Region unterschiedliche Eisenbahnverwaltungen (Moskau, Jekaterinburg, Krasnojarsk u.a.), die miteinander auf Langstrecken konkurrieren und das Waggonmaterial stellen. Je nach Bezirk wird dann nur die Lok gewechselt. Der Paradezug der Moskauer Eisenbahnverwaltung ist der Zug Nr. 1 / 2 (Wladiwostok - Moskau bzw. Moskau - Wladiwostok), andere bekannte Züge sind z.B. der "Baikal" von St. Petersburg nach Irkutsk oder der "Wjatka" von Moskau nach Kirow.
Die Betten sind bereits hergerichtet, um 21:35 Moskauer Zeit setzt sich der Zug in Bewegung, Mit im Abteil zwei weitere Herren. Einer ist Waldemar, 72 Jahre alt und aus Finnland. Er fährt zur Gaudi ebenfalls bis Wladiwostok durch, um dort Freunde zu besuchen. Neben fließendem Russisch spricht er etwas Deutsch und Englisch. Der andere Kamerad ist Aleksander, 52jähriger Pensionist und ehemaliger Offizier der russischen Artillerie. Eigentlich Ukrainer, wurde er noch zu Sowjetzeiten nach Swobodny versetzt, einer Stadt zwischen Tschita und Chabarowsk am anderen Ende Russlands. Dort waren im Kalten Krieg Interkontinentalraketen stationiert, und nach einem Besuch bei der Verwandtschaft in Kiew fährt er jetzt wieder heim. Beim Tschernobyl-Unfall 1986 hatte man ihn als Liquidator zu Aufräumarbeiten in den Reaktor geschickt, was ein Grund für seine frühe Pensionierung ist.
Einige andere Touristen sind natürlich auch an Bord. Die meisten steigen in Irkutsk aus, der in Ekaterinburg in unser Abteil gekommene Engländer Michael fährt bis Ulan-Ude. Und alle fahren sie über die Mongolei nach China, nur der Australier Ken macht die harte Tour via Baikalsee und Baikal-Amur-Magistrale nach Sachalin.
Zweimal am Tag gibt's Essen in's Abteil: Morgens ein Paket bestehend aus Teebeutel, Instantkaffee, Waffel, 4 Crackern, Marmelade, Butter, Kondensmilch, 10g Zucker. Mittags dann Reis oder Couscous mit Fleisch sowie zwei Scheiben geräuchertem Fisch mit Zitrone. Abends ist dann Selbstversorgung angesagt, entweder bei einer der Omas auf den Bahnsteigen (der Zug macht mehrmals täglich längere Stops) mit Teigtaschen oder anderer Hausmannskost, oder aber an einem der Kioske, durch den kauf von Instantnudeln. Die werden am Samowar mit Wasser aufgefüllt, schmecken nicht besonders, aber sind billig und sättigend.
Kurz nach Tschita kommt mitten der Nacht ein angetrunkener, nach Bier stinkender Glatzkopf ins Abteil. Er fahre hier etwa 500 km mit und ob wir einen Wodka wollten. Dann legt er sich aber mit der Schaffnerin an, die holt den Zugchef und dieser schickt ihn in den Großraumschlafwagen ("Plazkart" genannt) am Ende des Zuges. Glück gehabt.
Am 18.8. kommt der "Rossija" schließlich kurz vor Sonnenaufgang pünktlich in Wladiwostok an. 9288 km und 146 Stunden sind seit der Abfahrt am Jaroslawler Bahnhof in Moskau vergangen, es ist noch dunkel und nur der 24-Stunden-Supermarkt neben der Leninstatue am Bahnhofsvorplatz hat geöffnet.
Sobald die Internetverbindung hier zuverlässiger ist gibt's einen Nachtrag mit Fotos.
Freitag, 20. August 2010
Moskau
Um kurz nach 9 am Morgen kommt der Schaffner in's Abteil, wir wären gleich in Moskau. Schnell zusammengeräumt, die Bettwäsche abgezogen und aussteigefertig gemacht. Am Kiewer Bahnhof hat es bereits heimelige 32 Grad, es herrscht emsige Betriebsamkeit. Von Smog ist nichts zu sehen: Der Wind hat gedreht und Moskau "freigeblasen". Nach einem Kilometer Fußmarsch zum Hostel bin ich total verschwitzt, schmeiße meine Sachen in die Ecke und verschwinde in ein Cafe zum Frühstück. Cappuccino für 5 Euro und ein Mandelparfait für 4 Euro, dafür aber Klimaanlage. Danach geht's zu Fuß von der Metrostation "Smolenskaja" über den Arbat (die Moskauer Touristenmeile) an der Lenin-Bibliothek vorbei, durch den Alexandergarten an der Kremlmauer zum Roten Platz. Überall ist die Miliz präsent, sei's um wirklich für Sicherheit zu sorgen oder um Touristen um Schmiergeld zu "bitten". In der Buchhandlung "Biblio Globus" an der Lubjanka gibt's den ersten Kontakt mit der russischen Freundlichkeit: Auf Fragen in Englisch wird üblicherweise barsch reagiert, auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt. Will man nichts kaufen (und das Gegenüber kein Geld erbetteln) ist der normale Moskowiter durchaus geduldig beim Erklären des Weges.
Die Moskauer Metro ist total anders als das, was man aus München kennt. Es hängen keine Fahrpläne aus, da sowieso nach spätestens 2 Minuten der nächste Zug einfährt. Man bezahlt pro Fahrt, unabhängig von der Entfernung (beim Kauf einer Zehnerkarte sind das 24 Rubel = ca. 55 ct). Viele Leute können sich das nicht leisten und drängeln sich deswegen hinter den Leuten mit Fahrkarte durch die Sperren an den Zugängen. Miliz und Metrobedienstete sind zwar omnipräsent, halten aber auch gern mal ein Schläfchen in ihrem Aufsichtskammerl. Der Schwarzfahrer hat ja sowieso kein Geld um die Strafe zu bezahlen.
Wer "Metro 2033" von Dmitri Gluchowski gelesen hat, der weiß: Die Moskauer Metro liegt tief unter der Erde, und die Rolltreppen sind lang. Eine sogar 125 Meter (Station "Park Pobedy"), man steht fast 3 Minuten herum, bis man oben oder unten ist. Die Stationen sind teilweise fantastisch verziert (mit Lenin und anderen Propagandaelementen), aber die Namen der Stationen sind nur in kyrillisch angeschrieben, und die Ansagen aus den Lautsprechern ertönen in der Regel beim Öffnen oder Schließen der Türen. "Die nächste Station ist... *WAMM*" Die Netzpläne sind Russisch und Englisch, aber die Wegweiser zu Ausgängen oder anderen Stationen nur auf Russisch. Ganz anders als die japanische Eigenart, alles zehnmal überdeutlich in Japanisch, Koreanisch, Chinesisch und Englisch anzuschreiben.
Erkennbar im Hintergrund: Das russische Außenministerium, sesshaft in einer von Stalins "Sieben Schwestern". Davor der innere Moskauer Stadtring, auf dem trotz 10 Fahrspuren oft Stau ist.
Das Hostel selbst war in Ordnung, wenn auch etwas konfus. Das gebuchte Vierbettzimmer war nicht vorhanden, es gab keine abschließbaren Schränke (wofür hat man ein Laptopschloss), und die mindestens 5 Angestellten (bei insgesamt 18 Betten) saßen den ganzen Tag in der Küche und tranken Bier. Einer von ihnen konnte Deutsch, und der Großteil der Übernachtenden konnte es auch. Von den Sprachkurslern aus Kärnten, die nach einem Monat Omsk noch ein paar Tage in Moskau verbrachten zu den zwei Engländern aus Frankfurt und dem Kirgisen, die mit Wiesbadener Kennzeichen durch Russland und Kasachstan nach Kirgistan fahren. Den Deutschen und seine russische Freundin nicht zu vergessen, die aufgrund der zeitweiligen Schließung der deutschen Botschaft in Moskau in arge Bedrängnis kamen, will Sie doch in Deutshcland studieren und musste auf einen Termin in der Konsularabteilung 3 Monate warten. Einige andere Botschaften zogen ihr Personal aufgrund des Rauches komplett ab - wer kann's verdenken, bei Sichtweiten von 100 m und tränenden Augen nach einer Stunde an der "frischen" Luft. Zum Glück bin ich kein Asthmatiker, aber 23 Jahre Nichtrauchertum sind jetzt wohl für die Katz' gewesen. (Hier gibt's Zigaretten für 9 Rubel pro Schachtel zu kaufen, das ist quasi nix, und der Inhalt hat mit Tabak wohl auch nicht mehr viel zu tun).
Während der normale Moskowiter sich so durch's Leben schlägt, gibt's gerade in Moskau viele Neureiche, die diesen Reichtum auch zeigen. Über und über mit Klunkern behängte Damen, in feinsten Zwirn gekleidete Heren, verzogene Schrazen hintendrein. Das durch Geld erworbene Selbstbewusstsein zeigt sich auch deutlich im Umgang mit Personal in Geschäften - oder ist der Kunde in Russland so freundlich wie der Verkäufer?
Moskau ist eine hochinteressant Stadt, wesentlich interessanter als das in ähnlicher Dimension bestehende Tokio. Die Architektur, die Geschichte, die Lücke zwischen Reichtum und Armut. Der Rauch hat mir leider einen Strich durch so manchen Plan gemacht. Die letzten Stunden in Moskau verbrachte ich in einem Cafe am Jaroslawler Bahnhof bei Schwarztee, Borschtsch und angenehmen 30 Grad plus x. Der Wind hatte den Rauch am 11. August wieder weitgehend vertrieben, so dass es zumindest noch für einen Besuch im Kreml gereicht hat.
Donnerstag, 5. August 2010
München - Wien - Zilina - Moskau
Nach großem Abschiedsbahnhof in München geht's per ÖBB Railjet nach Wien. Die Fahrt ist ereignislos, viele Touristen, ich grüble die Ganze Zeit ob denn auch alles Nötige im Rucksack ist - anscheinend schon. In Wien folgt ein Wiedersehen mit seit Ewigkeiten bekannten Leuten aus dem Internet.
Am nächsten Tag geht's mit der "Bim" zum Wiener Südbahnhof bzw. zu dem, was davon nach dem Beginn der Umbauarbeiten noch übrig ist. Im REX nach Bratislava macht mich der slowakische Schaffner kurz nach der Grenzstation Devinska Nova Ves darauf aufmerksam, dass ich ein Billet im Wert von 1,90 nachlösen müsste. Wundert mich, da die anschließende Fahrt von Bratislava nach Zilina mit dem von Bayer gesponserten "R609 Aspirin" im City-Star-Ticket inbegriffen ist. Die Westkarpaten sind landschaftlich nett anzuschauen. "Wladiwostok" auf dem Billet sorgt bei den Bahnbediensteten für Kopfkratzen. Wer tut sich denn so etwas an?
Der Kurswagen Zilina - Moskau ist zunächst nur mit einer Ukrainerin und mir gefüllt, ich habe ein Abteil für mich alleine. Zum Glück, der Platz ist doch recht spärlich. Der Schlaf muss allerdings noch warten, was zum einen am Streckenzustand (Holterdipolter), den dauernden Halten (ab Kosice hängt der Kurswagen an einem Bummelzug) und dem vom Schaffner angebotenen Schwarztee liegt ("Mit Limon! Mit Zucker!"). Nach einem rund halbstündigen Aufenthalt in der slowakischen Grenzstadt Cierna nad Tisou kriecht der Zug über die EU-Außengrenze zum ukrainischen Grenzbahnhof Tschop. Dem unkomplizierten slowakischen Grenzer ("Mehrwertsteuer? Tax-free?") folgt sein missmutiger ukrainischer Gegenpart, in bester Ostblocktradition mit viel zu großer Schirmmütze. "Was in Rucksack? Pistol?" "Njet Pistol." "Wieviel Geld dabei?" "Soundsoviel Euro" "charascho", und weg war er. Den Reisepass gibt's erst nach der jetzt folgenden Umspurprozedur zurück: Da die Gleise in der ehemaligen Sowjetunion mit einer anderen Spurweite verlegt wurden (russische Breitspur), wird nun jeder einzelne Waggon angehoben und die Fahrgestelle ausgetauscht. Den Jackpot habe ich gelandet, unter meinem Bett befindet sich die Verriegelung, welche zum Umspuren entfernt werden muss. Hammerschläge, aneinanderkrachende Fahrgestelle (Schaffner: "Von Ammendorf, aus DDR! Sehr gut Qualität! Jetzt neue machen in Twer, schlechte Qualität!"), herumschreiende Arbeiter. Nach 4 Stunden ist der Austausch komplett (gleichzeitig wurden auch die Anderen, nach Moskau verkehrenden Kurswagen aus Budapest, Venedig, Zagreb, Saloniki etc. umgespurt), es geht zurück in den Bahnhof von Tschop, wo der Mann mit dem umgedrehten Fressnapf auf dem Kopf den abgestempelten Pass aushändigt.
Nach unruhigem Schlummer dringt um 11 Uhr morgens ein weiterer Passagier in mein Abteil ein: Ein älterer Ukrainer, der nach Kiew unterwegs ist. Nix mit Englisch und Deutsch, rudimentäre Kommunikation mittels der vorgefertigten Sätze in meinem japanischen Sprachcomputer ("Ich habe keinen Durchfall"). Hat er auch nicht, aber Probleme mit dem Herzen und muss deshalb abnehmen und Nulldiät halten. Meine Wampe ist trotzdem größer.
Während der Zug mit 90 - 100 km/h durch die Ukraine gurkt geht der Tag vorbei, um 20 Uhr hat es in Kiew noch milde 37 Grad. Am Gleis gegenüber fährt ein weiterer Zug nach Moskau ein, der allerdings nur aus Drittklassabteilen besteht, sog. "plazkartny"-Großraumschlafwagen. Der Bahnsteig ist geschäftig wie der Stachus, Omas versuchen Fahrgästen Klamotten oder Schnappes anzudrehen, ich bleibe standhaft und beschränke mich auf Instantnudeln.
Der Schaffner meint er wäre ein großer Fan von Thomas Müller, und nutzt gefühlt jede Gelegenheit anderen Schaffnern und Pozilisten mitzuteilen, dass Ich nach Wladiwostok fahre. Erstaunen, wer tut sich denn so etwas an.
Die ukrainische Grenzkontrolle in Konotop verläuft ohne Probleme, Stempel in den Pass und fertig. Der Russische Grenzer in Brjansk will nur Visum und Migrationskarte sehen, Stempel rein, fertig.
Das Wetter in Moskau ist abartig heiß, von den Waldbränden in der Umgebung bekommt man allerdings nichts mit. Der Smog reicht ja auch schon vollkommen aus. Bin bisher ohne Schmiergeldzahlungen an Pozilisten ausgekommen. Das eine Semester Russisch von vor 3 Jahren zahlt sich aus, hier ist Alles nur in kyrillischer Schrift angeschrieben.
Wettervorhersage für morgen: 40 Grad und Sonnenschein. Im Rucksack: Schwarze T-Shirts. Ob es hier Interesse für Salzbatik gibt?
Samstag, 31. Juli 2010
Reisevorbereitungen
Hochprofessionell fabrizierte Karte, wird durch Draufklicken größer.
Die Beschaffung der Fahrkarten ist gar nicht so kompliziert. Die einfachste Möglichkeit gibt's an den Schaltern der Deutschen Bahn, wo für die besseren Züge der Russischen Eisenbahn (RZD) Billets verkauft werden, auf welche sogar der BahnCard-Rabatt anwendbar ist. Andere Möglichkeiten sind diverse Reiseagenturen, das Onlinesystem der RZD (Bezahlung per Kreditkarte) oder das slowakische City-Star-Ticket ( http://citystarticket.blogspot.com/ ). Ich habe mich für Letzteres entschieden, da es bei den sommerlich hohen Fahrpreiskoeffizienten der RZD mit Abstand die günstigste Lösung war.
Über Wien, Bratislava und Kiew geht's nach Moskau. Nach 6 Tagen im dortigen Smog mit Zug Nr. 2 "Rossija" nach Wladiwostok, und am gleichen Tag per Fähre via Donghae in Südkorea nach Sakaiminato in der japanischen Präfektur Tottori. Ganz entspannt. Warum man sich sowas antut? Genug Zeit und eine gewisse Abneigung gegen Flugzeuge.
Donnerstag, 15. Juli 2010
La Fete de la Biere 2009
Was folgt ist ein eher ungeordneter Bilderauswurf meines zweiwöchigen Aufenthalts in Togo. Die dortige Brauerei "Brasserie BB Lome" veranstaltet jährlich eine "Fete de la Biere", zu der eine bairische Kapelle eingeladen wird. Da BB komplett Togo und auch das Nachbarland Benin mit Softdrinks (Lizenzabfüllung der Coca-Cola-Produktpalette) und Bier (Braulizenz fürs südafrikanische Flag und Castell, sowie für Guinness und das Kulmbacher Eku-Export) versorgt, scheint man sich das leisten zu können.
Reiseroute: Lome - Kara - Dapaong - Kara - Lome - Kpalime - Lome. Es gibt eine einzige Straße, welche der Länge nach durch Togo verläuft und über die der gesamte Frachtverkehr nach Burkina Faso und Mali abgewickelt wird.
Die Brauerei wurde in den 1980ern auf Initiative des Großen Vorsitzenden Franz Josef Strauß gegründet, ist allerdings mittlerweile unter französischer Verwaltung. Die Organisation war eine einzige Katastrophe. Wir sollten viermal auf einem LKW durch Lome fahren, Musik spielen und Werbung für die "Kermesse" am Strand von Lome machen. Nun war aber am ersten Tag der LKW noch gar nicht fertig, kam viel zu spät, am zweiten Tag gabs ebenfalls Verspätung. Am letzten Tag der Karawane sollten wir noch kurz auf der Kermesse spielen, als "Vorband" von King Mensah, Togos bekanntestem Künstler. Nun waren wegen dem Mensah und dem Feuerwerk aber einige zehntausend Menschen unterwegs, und direkt am Stand verläuft auch noch die Hauptverbindungsstraße zwischen Ghana und Benin. Nachdem die Verantwortlichen von der Brauerei nur lapidar meinten, sie würden uns am Sponsoreingang empfangen, aber von uns keiner Lust hatte bei nicht vorhandener Straßenbeleuchtung in eine Menschenmasse von Togoern zu gehen (der Strand ist bei nacht einer der no-go-Bereiche Lomes), hat unsere überaus kompetente Reiseleiterin kurzerhand einen Bekannten bei der Pozilei angerufen, der dann eine Eskorte organisiert hat. 20 Pozilisten mit Schlagstöcken für 20 Musiker, und jeder der uns zu nah getreten ist, bekam eine auf den Rüssel. Sehr afrikanische Lösung?
Das Feuerwerk war 5 Meter hinter der Bühne aufgebaut, ein paar Kracher flogen wohl auch in die Menge, aber Sicherheitsbedenken scheinen dort nicht an erster Stelle zu stehen.
Gnassingbe Eyadema, 37 Jahre lang bis 2005 autoritärer Staatschef von Togo. Da man einer Diktatur keine Entwicklungshilfe zukommen lassen kann, verfiel die "Schweiz Afrikas" zusehends, die Straßen sind in einem katastrophalen Zustand, die Eisenbahn existiert noch (originale Bausubstanz aus der deutschen Kolonialzeit), fährt aber nicht mehr.
Der jetzige Staatspräsident ist sein Sohn Faure Gnassingbe. Der hat einige Reformen angestoßen (u.a. die Abschaffung der Todesstrafe), hat im Ausland studiert und scheint auch recht weltoffen zu sein, kann aber aufgrund der noch existierenden Seilschaften aus der Regierungszeit seines Vaters nicht so, wie er möchte. In diesem Jahr waren Wahlen angesetzt, und zur Überraschung Aller (hust) hat ein gewisser Faure Gnassingbe gewonnen. Ein Wechsel an der Macht würde einen Austausch sämtlicher Beamten zur Folge haben (in Togo existiert eine langjährige Fehde zwischen der Familie Eyadema und der Oppositionsfamilie Olimpio), dass das für die öffentliche Verwaltung nicht grad vorteilhaft ist, kann man sich denken.
Die ehemalige deutsche Landungsbrücke im Hintergrund. Ganze 4 Jahre hat sie gehalten, dann wurde sie ein Opfer der Meeresströmung. Es gibt in Togo einen Badestrand mit Wellenbrechern (direkt neben dem Hafen, sehr idyllisch), ansonsten sollte man aufgrund der Unterströmung nicht weiter als bis zur Hüfte ins Wasser gehen.
Im Vordergrund die französische Landungsbrücke, gebaut 1924. Die Franzosen sind in Togo sehr unbeliebt, haben jahrelang Eyadema gestützt und so die Demokratisierung mit verhindert. Die Deutschen sind allerdings sehr angesehen, wohl deswegen weil früher immer alles besser war. Hin und wieder trifft man auch Togoer, welche in Deutschland gelebt haben und Deutsch sprechen. Die deutsche Kolonie Togoland umfasste neben dem heutigen Togo noch den heute östlichen Teil von Ghana.
Konzert mit Watschntanz und Schunkelrunde im Goethe-Institut in Lome. Waldeslust, Beim Kronenwirt, Schön ist die Liebe im Hafen, die Schunkelrunde hat's den Togoern angetan.
Das Gebäude der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS in Lome, eines der wenigen architektonischen Highlights. In Togo wird, wie im gesamten frankophonen Zentral- und Westafrika, mit dem CFA-Franc bezahlt. Der hing früher fix am Franc, und jetzt am Euro. Eine Art der Entwicklungshilfe, die bei der Währungsumstellung 2002 verschwiegen wurde.
Allerdings liegt das BIP der westafrikanischen Währungsunion bei ca. 60 Mrd. US-Dollar, das der EU bei 11,9 Billionen Euro.
Lehmburg im Tambermatal. Togos einziges Weltkulturerbe ("Land der Batammariba"), man muss hierfür am Eingang zum Tal 30 Euro abdrücken, wieviel davon in der Bevölkerung ankommt, weiß der Geier. Der Zuckerhut aus Lehm auf dem Dach bedeutet, dass es momentan einen Ältesten im Haus gibt. Der große Zuckerhut rechts neben dem Eingang ist eine Art Altar, auf dem das Blut frisch geschlachteter Tiere ausgegossen wird.
Bis vor einigen Jahrzehnten war es dort noch Brauch, erst nach der Tötung eines Menschen zum Mann zu werden. Mittlerweile werden dafür Tiere benutzt. Das Tambermatal ist die ärmste Region Togos, dort liegt auch die Partnerschule der Grundschule Maisach, in Matema.
Togo ist ein interessantes Land, verfügt allerdings über keine nennenswerte Infrastruktur. Das "Mercure Sarakawa" in Lome ist als bestes Hotel im Land sündhaft teuer (Einzel ab 150 Euro in der Nacht) und hat bestenfalls europäische 3 Sterne. Im Hinterland wirds dann natürlich mit den Schlafgelegenheiten auch nicht besser. Jede der größeren Städte hat ein oder zwei brauchbare Hotels, die sowohl in puncto Sauberkeit auch als in der Ausstattung etwa auf dem Niveau einer Pension rangieren.
Großes Plakat an der Außenwand unseres Hotels.
Devotionalien im kleinen Museum von Togoville. Im Schaukasten links die originale kaiserliche Fahne, welche anlässlich der Unterzeichnung des Schutzvertrages 1884 dem König von Togoville übergeben wurde. Rechts daneben eine bundesdeutsche Fahne, übergeben vom großen Vorsitzenden Franz Josef Strauß 1980. Darüber mit Schappoklack der damalige König von Togoville.
Eigentlich ist der Titel "König" ein ziemlicher Witz. Der König wird vom Volk gewählt, und hat die niedere Gerichtsbarkeit inne (Familienstreitigkeiten und andere Sachen, mit denen sich der Präfekt nicht abgeben will). Der Kini von Togoville ist allerdings schon länger krank (ca. 2 Jahre), seitdem von niemandem mehr gesehen worden und daher wahrscheinlich tot. Die Regierungsgeschäfte führt nun der Herr Erbprinz, welcher aber nie spricht, sondern seinem Willen durch seinen Sprecher Ausdruck verleiht. Andernorts spricht der Sprecher, und wenn das dem König nicht gefällt, haut er Ihm ein paar mit dem Stecken drauf, damit der Sprecher anders spricht.
Kein Schnappes, sondern eine Tankstelle unter Palmen. Man kann an fast jeder Ecke Benzin-Öl-Gemisch aus Flaschen kaufen, mit dem die Togoer ihre chinesischen Mopeds betanken.
Der Fetischmarkt in Lome. Neben allerlei Abartigkeiten (Affenköpfe, Elefantenfüße, Krokodilschädel) kann man dort auch Zwillingspuppen erwerben. Stirbt ein Zwilling, so muss man beim Feticheur eine Puppe erwerben, die immer so wie der noch lebende Zwilling zu kleiden ist. Auf diese Weise merken die Ahnen nicht, dass im Haushalt etwas Schlimmes passiert ist. Sterben beide Zwillinge, muss man zwei Puppen kaufen.
Man kann sich dort auch verarzten lassen, dann wird irgendetwas zermahlen und mit Honig eingenommen. Ist eine ziemlich zwielichtige Angelegenheit, der Fetischmarkt liegt im ärmsten Viertel von Lome und die Feticheure sind sehr darauf bedacht, einem irgendetwas aufzuschwatzen. Es gibt auch noch einen Eisenfetisch (Altar zum Schutz all derer, die mit Eisen beruflich zu tun haben), auf welchem am 10. Januar Tiere geopfert und dann liegen gelassen werden.
Auf eine Halbe zwischendrin ging's zum Marox-Grill. Die Rosenheimer Gebrüder März hatten in den 80ern und 90ern einen gut laufenden Fleischgroßhandel (und eine Schweinefarm in Togo), welcher dem SB Rosenheim seine deutschen Eishockeymeisterschaften "erkauft" hat. Als Marox pleite ging, wars auch mit dem SBR bald vorbei.
Der Marox-Grill bietet viel Fleisch zu billigen Preisen (Rinderfiletsteak für 8 EUR), im daneben gelegenen "Supermarche Marox" gibts einen Großteil des ALDI-Süd-Sortiments. Semmelknödel, Kartoffelbrei und BeLight! Knuspermüsli.
Palais du Congres in Kara. Da der Präsident sowie sein Vater aus der Nähe von Kara kommen, hat man hier so einen pseudosozialistischen Protzbau in die Gegend gestellt.
Togoische Buschstraße. Einfach mit dem Bulldozer durch die Landschaft gefahren, sobald der Regen den roten Sand weggespült hat, bleibt eine Piste zurück, die teilweise über nackten Fels führt. Zu Fuß gehts dann schneller voran, als mit dem Auto.
Schutzbehausungen in einer Klippe. Gelegen nahe der ghanaischen Grenze, ca. 2 Stunden Fahrt von Dapaong über Sandstraßen und Schotterpisten.Von oben über Lianen erreichbar, aber weder von unten noch von oben einsehbar. Hierhin sind die Bewohner früher geflüchtet, wenns zwischen den Stämmen Keilerei gab.
Der Faille d'Aledjo zwischen Kara und Sokode. In den Spalt (abwärts führend) brechen dann die völlig überladenen LKWs hinein, links und rechts schlagen bisweilen Funken.
In Sokode gibts übrigens die Boulangerie Bouba, geführt von einem Togoer, welcher in Deutschland Germanistik studiert hat. Dann ging ihm aber das Pulver aus, und er hat eine Bäckerlehre mit anschließendem Meister gemacht.
Mittagessen bei den Steyler Missionaren (einem katholischen Männerorden) in Kpalime. Die weißen Brocken um das Sauerkraut herum sind Yamsstücke, und schmecken wie eine mehlige Kartoffel. Eine der wenigen Kostproben von togolesischer Küche, sonst gab's größtenteils Essen in französischen Restaurants, beim Rainer im Fränkischen Hof zu Lome (Schnitzel, Leberkas und Hendl), bei Ordensschwestern (Fleisch in Roter Soße mit Beilage) oder beim Marox (Fleisch!).
Bei den Missionaren gabs auch Bier, Wein, Schnaps, und ein Großteil unserer Gruppe war nach der vorangegangenen, 4 Stunden dauernden Bischofsmesse (da gings zu wie in Blues Brothers) etwas ausgelaugt, ergo sehr durstig. Dann wurde gesungen, die Missionare haben mitgesungen, war alles sehr unenthaltsam. Unser muslimischer Busfahrer fand's sehr interessant, wie es da bei den Christen so zugeht.
Der Massageraum im Hotel war noch etwas unfertig, dafür gabs allerdings eine Sauna. Braucht man bei 35°C im Schatten auch unbedingt.